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CCD-Fotometrie an offenen Sternhaufen – Ein schulisches Astronomie-Projekt

Von Peter Stinner und Daniel Hammann

Intentionen des Projekts
Abb. 3: Fabian Bieler, Michael Müller, Daniel Hammann, Philipp Wilking, Kai Märzhäuser und Christian Hammann vor der Kuppel unserer Sternwarte in Betzdorf an der Sieg
In den Jahren 2001 und 2002 wurde von der Astronomie-Arbeitsgemeinschaft am Kopernikus-Gymnasium in Wissen (Sieg) das Projekt „Farben-Helligkeits-Diagramme (FHDs) offener galaktischer Sternhaufen” durchgeführt. Ziel des Vorhabens war zum einen die selbständige Erstellung der FHDs von acht offenen Sternhaufen mittels eigener CCD-Aufnahmen in B und V. Zum anderen sollten diese FHDs mit eigens erstellter Software im Hinblick auf Entfernung und Alter der Sternhaufen ausgewertet werden. Die beteiligten Schülerinnen und Schüler erlernten fundamentale Techniken zur Gewinnung und Auswertung astronomischer und physikalischer Daten. Sie erhielten durch eigene Experimente grundlegende Einblicke in astrophysikalische Methoden und Theorien. Insbesondere wurde die enorme Bedeutung von Farben-Helligkeits-Diagrammen für das Verständnis der Sternentwicklung deutlich. Bei all dem kam der Spass am astronomischen Beobachten nicht zu kurz: Für alle Beteiligten brachte unser FHD-Projekt eine gehörige Portion an Motivation für zukünftige Beschäftigung mit astronomischen Fragestellungen.

Vorbereitungsphase

Abb. 4: Das Gebäude der Geschwister-Scholl-Realschule in Betzdorf(Sieg) mit der 3m-Baader-Kuppel
Im Winter 2000/2001 wurden die erforderlichen theoretischen Grundlagen erarbeitet. Ergänzend konnte unsere Arbeitsgruppe im Observatorium „Hoher List“ der Bonner Universitätssternwarte erste praktische Beobachtungserfahrungen sammeln. Für ein einwöchiges Praktikum unter Anleitung von Prof. Dr. W. Seggewiß und Dr. M. Geffert stand uns das 340mm/500mm/f=1400 mm-Schmidt-Spiegelteleskop mit einer ST6-CCD-Kamera für erste fotometrische Experimente zur Verfügung. Es folgte im Sommer 2001 die Wiederbelebung der seit Jahrzehnten leerstehenden Sternwarte der Geschwister–Scholl–Realschule in Betzdorf (50°48`N; 7°53`E). In der 3m-Kuppel montierten wir unser C8-Schulteleskop mit einer ST6-CCD-Kamera. Die Auswahl der zu untersuchenden Sternhaufen erfolgte anhand der Literatur [1] unter dem Aspekt einer möglichst breiten Streuung nach Entfernung und Alter. Des weiteren kamen wegen der erforderlichen Rücksichtnahme auf den laufenden Schulbetrieb nur Beobachtungsobjekte in Frage, welche in der ersten Nachthälfte im den Monaten Dezember bis März sichtbar sind: NGC1528, NGC 1912 (M 38), NGC 1960 (M 36), NGC 2099 (M 37), NGC 2264, NGC 2281, NGC 2632 (M 44) und NGC 2682 (M 67). Für die CCD-Beobachtungen wurde die Brennweite des C8 auf 900mm bei Blende f/D=4,5 reduziert. Somit konnte ein Sternfeld von ca. 25arcmin Ausdehnung auf den CCD-Chip der ST6-Kamera abgebildet werden. Für M 44 mit einem Durchmesser von ca. 80arcmin musste die CCD-Kamera an ein 300m-Teleobjektiv angepasst werden. Die Nachführung regelte ein ST4-Autoguider an einem f=700mm/D=60mm-Refraktor als Leitrohr.


Abb. 1: Das Bild zeigt neben einem RGB-Komposit von NGC 2281 die zugehörigen B- und V-Bilder. Bei den markierten Sternen handelt es sich um rötliche Objekte (B-V ~= 1), die im blauen CCD-Bild deutlich schwächer erscheinen als im visuellen/grünen.
CCD–Bilder in B und V
Uns standen für die CCD-Aufnahmen der gewählten Sternhaufen im blauen Spektralbereich (B-Band) und im visuellen bzw. grünen (V-Band) aus Kostengründen keine Filter zur Verfügung, deren Transmissionskurven den relativen Empfindlichkeitsfunktionen des UBV-Systems optimal angepasst sind. Nach einem Vorschlag von Heimerl [2] verwendeten wir die Schott-Filter BG12 für das B-Band und VG9 für das V-Band. In Verbindung mit dem Infrarotsperrfilter KG5 kommen deren Transmissionscharakteristiken denen des UBV-Systems recht nahe. Die Filtergläser wurden uns von der Firma Schott in Mainz kostenlos überlassen und dann vom örtlichen Augenoptiker in 1,25-Zoll-Schraubfassungen eingeschliffen. Von jedem Sternhaufen fertigten wir zuerst kurz belichtete Bilder in B und V. Die Belichtungszeiten (ca. 30s bis 2min) wurden so gewählt, dass die von den hellsten Sternen belichteten Pixel auf dem CCD-Chip noch nicht in Sättigung gingen. Die sich anschließenden lang belichteten Aufnahmen (5min bis 20min) erreichten dann Sterne bis ca. 14mag. Zusätzliche Bilder im Roten (Filter: RG610 + KG5) erlaubten später in Kombination mit den B- und V-Aufnahmen die Erstellung von RGB-Farbkompositen. Abb. 1 zeigt beispielhaft neben einem RGB-Komposit von NGC 2281 die zugehörigen B- und V-Bilder.


Abb. 2: Farben-Helligkeits-Diagramm von M36. V und B-V stehen für die gemessenen, unkorrigierten Werte von scheinbarer visueller Helligkeit V und Farbindex B-V. Die durchgezogene Linie stellt die Hauptreihe dar mit ihren Koordinatenachsen (B-V)0 und MV. Bei der Anpassung der Hauptreihenfunktion an die Sternverteilung im experimentell gewonnenen FHD erfordert die Korrektur der Rötung des Sternlichts eine Verschiebung der (B-V)-Achse um 0,24 nach rechts [6].
Auswertung mit der Software WinStarFinder
Die im Rahmen unseres FHD-Projekts von Fabian Bieler eigens erstellte Windows-Software WinStarFinder erlaubt es, alle Auswertungsschritte vom Einlesen der B- und V-Bilder bis hin zur Darstellung der FHDs als Bitmaps rechnergestützt auszuführen. Zunächst lokalisiert das Programm sämtliche Sterne in beiden Bildern und ordnet sie einander zu. Dann berechnet WinStarFinder für jeden Stern vorläufige B- und V-Helligkeiten NB und NV. Diese sind lineare Maße für die Zahl der freigesetzten Elektronen in den von einem Stern belichteten Pixel. Zu der sich anschließenden Kalibrierung unserer Apparatur gaben wir zunächst für einige katalogisierte Sterne [3] die bekannten B- und V-Helligkeiten ein. WinStarFinder berechnete aus den vorläufigen Helligkeiten NB und NV dann die B- und V-Magnituden sowie die Farbindizes B-V aller Sterne. Da B und V logarithmische Maße für die Sternhelligkeiten im Blauen bzw. Grünen sind, steht die Differenz B-V für den Quotient dieser Helligkeiten. Der Farbindex B-V beschreibt also die „Farbe“ eines Sterns, wobei B-V von blauen zu roten Sternen hin zunimmt. Im Farben-Helligkeits-Diagramm wird dann jedem Stern ein Punkt zugewiesen, dessen Koordinaten B-V und V sind. Die meisten FHDs wurden im Bereich hellerer Sterne aus den kurzbelichteten CCD-Bildern, für schwächere Sterne aus den langbelichteten Aufnahmen, gewonnen. Abb. 2 zeigt ein solches FHD für M 36.

Abb. 5: Screenshot von WinStarFinder. Ein Stern ist markiert. Soll er als Eichstern Verwendung finden, dann werden in der Dialogbox Katalogwerte für V und B-V eingegeben. Handelt es sich beim markierten Objekt um ein nichtstellares Objekt oder um überlappende Bilder von mehreren Sternen, kann über “ignore star” der Ausschluss von der weiteren Auswertung erfolgen.
Entfernungsbestimmung
Die damit vorliegenden FHDs basieren auf den scheinbaren Blau-Helligkeiten B und den scheinbaren visuellen Helligkeiten V, wie sie auf der Erde wahrgenommen werden. Bei einer quantitativen Auswertung der FHDs ist zu beachten, dass das Sternlicht auf dem Weg durch die Galaxis sowohl eine Farbänderung (Rötung) als auch eine Abschwächung (Extinktion) erfährt. Ursache ist in beiden Fällen die Streuung des Lichts an interstellaren Staubpartikeln. Auf unserer Homepage [4] kann der interessierte Leser ersehen, wie die bezüglich Rötung und Extinktion korrigierten visuellen Helligkeiten V0 und Farbindizes (B-V)0 berechnet werden. In den FHDs offener Haufen liegt der überwiegende Teil der Sterne auf einer recht ausgeprägten Linie, der sogenannten Hauptreihe (vgl. auch Abb. 2). Diese Sterne befinden sich noch im Stadium des Wasserstoffbrennens. Für solche Hauptreihensterne gibt es einen stetigen Zusammenhang zwischen Oberflächentemperatur bzw. Farbindex und absoluter visueller Helligkeit MV. Dieser Zusammenhang wird durch die durchgezogene Kurve mit den Koordinaten (B-V)0 und MV in Abb. 2 beschrieben [5]. Nun bezieht sich die absolute Helligkeit MV auf Sterne in der Entfernung 10pc. Für weiter entfernte Ansammlungen von Sternen verschiebt sich diese Hauptreihe zu geringeren Helligkeiten bzw. zu größeren scheinbaren visuellen V-Magnituden. Diese vertikale Verschiebung der Hauptreihe ist das „Entfernungsmodul“ V-MV, welches sich nach Abb. 2 für M36 ergibt zu V-MV = 11,1±0,3. Korrigiert man V nun noch um die interstellare Extinktion, so erhält man als korrigiertes Entfernungsmodul V0-MV = 10,40±0,35. Die Gleichung V0-MV = 5 • log d –5 [5] liefert dann die Entfernung d des Sternhaufens in pc. Für M 36 erhielten wir damit: d = 1220±200pc = 4000±650 Lichtjahre. Dieser Wert stimmt innerhalb der Fehlergrenzen mit dem kürzlich von Sanner et al. [6] publizierten Wert d = 1318±120pc überein. Gleichermaßen berechneten wir die Entfernungen für die übrigen Sternhaufen. Es ergaben sich Werte zwischen 195±35pc bei M 44 und den erwähnten 1220±200pc bei M 36. Die Messfehler betragen mitunter jedoch bis zu 30% (vgl. Tabelle 1), da die Hauptreihen nicht in allen FHDs so ausgeprägt sind wie bei M36.


Abb. 6: Daniel Hammann am C8-Teleskop mit angebauter ST6-CCD-Kamera.
Das Alter der Sternhaufen
Die Dauer des Verbleibs der Sterne auf der Hauptreihe im FHD, d.h. die Zeit des Wasserstoffbrennens, nimmt mit zunehmender Sternmasse ab. Nun nimmt die Sternmasse im FHD nach oben zu, und die Sterne, deren Verweilzeiten auf der Hauptreihe kleiner als das Alter des Sternhaufens sind, haben sich bereits von der Hauptreihe entfernt. Deshalb ist das Alter der Sterne am oberen Ende der noch beobachtbaren Hauptreihe im FHD identisch mit dem Alter des Sternhaufens. Die Theorie der Sternentwicklung liefert einen Zusammenhang zwischen der V-Magnitude dieser Sterne und dem Alter des Sternhaufens [7]. Für M 36 konnten wir damit ein Alter von 27±9 Mio. Jahren bestimmen. Auch hier ergibt sich innerhalb der Fehlergrenzen Übereinstimmung mit dem Wert 16(+10/-5)Mio. Jahre von Sanner et al. [6]. Für die übrigen Sternhaufen liegen unsere Alterswerte zwischen 59±23 Mio. Jahre bei NGC 2264 und 1000±240Mio. Jahre bei M 67 (vgl. Tabelle 1).

Fazit
Mit dem beschriebenen Projekt haben wir gezeigt, dass (U)BV-CCD-Fotometrie auch im schulischen Bereich erfolgreich praktiziert werden und zu vorzeigbaren Ergebnissen führen kann. Für interessierte Amateur-Astronomen, insbesondere für Lehrerinnen und Lehrer, sind auf unserer Homepage [4] alle Medien verfügbar, die für ein Nachvollziehen des FHD-Projekts benötigt werden. Neben den CCD-Bildern in B,V und R findet man die jeweils aktuelle Version der Auswertesoftware WinStarFinder. Zu WinStarFinder gibt es eine ausführliche Anleitung, die den Anwender vom Einlesen der B- und V-Bilder über die Eingabe von Eichsterndaten zur Kalibrierung bis zum fertigen FHD führt. Einzelheiten zum Vorgehen, zum theoretischen Hintergrund und zu benötigten Daten bei der Bestimmung von Entfernungen und Alter der Sternhaufen findet man ebenso.

Tabelle 1: Ergebnisse unserer CCD-Fotometrie-Messungen
NGC-Nummer Entfernungsmodul V0-MV Entfernung (Lichtjahre) Alter (Mio. Jahre)
1528 8,9±0,3 1990±280 280±130
1912(M 38) 9,75±0,35 2940±480 240±125
1960(M 36) 10,40±0,35 3980±640 27±9
2099(M 37) 9,9±0,6 3230±880 395±270
2264 8,90±0,65 2050±600 59±23
2281 8,1±0,3 1370±200 400±200
2632(M 44) 6,4±0,4 635±115 580±320
2682(M 67) 8,85±0,40 1960±360 1000±240

Literaturhinweise
[1] Alter, G., Ruprecht, J., Vanysek, J.: Catalogue of Star Clusters and Associations, Budapest 1970
[2] Heimerl, F.: Bestimmung eines Farben–Helligkeits–Diagramms in der Schule, SuW 39, (5/2000), S. 345–349
[3] Mermilliod, J.-C.: WEBDA Database of Open Clusters, obswww.unige.ch/webda
[4] www.physiksammlung.de/sternwarte
[5] Götz, W.: Die offenen Sternhaufen unserer Galaxis, Leipzig 1989
[6] J. Sanner, M. Altmann, J. Brunzendorf, M. Geffert: Photometric and kinematic
studies of open star clusters, Astronomy and Astrophysics 357, 471-483 (2000) [7] Zimmermann, O.: private Mitteilung