Warte im Dornröschenschlaf

Früher schaute man hier in die Sterne: Hatte die Geschwister-Scholl-Schule je ein eigenes Teleskop?

Jeder, der an der Geschwister-Scholl-Realschule am Betzdorfer Struthof vorbeikommt, hat die auffällige Kuppel im Dach des Gebäudes schon gesehen. Aber seit Jahren hat sie so gut wie niemand mehr von innen zu Gesicht bekommen. Die RZ war unter der Kuppel des Schmuckstücks - das sogar noch zu nutzen wäre.

Von Jasmin Schumacher

BETZDORF.Eine enge Wendeltreppe windet sich hinauf, auf den letzten Stufen hallt jedes Geräusch lange nach. Durch drei kleine Fenster fällt Licht auf einen kahlen, mit dickem Staub bedeckten Fußboden und auf die Spinnweben, die sich an den Wänden entlang ziehen. Hier war seit Monaten kein Mensch mehr - eine Welt im Dornröschenschlaf. Das ist sie also, die unter Denkmalschutz stehende Sternwarte in der Betzdorfer Geschwister-Scholl-Realschule unweit der B 62. Oder vielmehr: Das war sie früher mal. Bis 1967.

"Wir hätten nichts dagegen, wenn sich zum Beispiel eine Volkshochschule dafür interessieren würde, die Sternwarte wieder zu nutzen", sagt Realschul-Rektor Ernst Schäfer. "Sie gehört zum Gesamtbild unserer Schule, aber für uns besteht kein Anlass, sie wieder in Betrieb zu nehmen."

Abgesehen davon gehört der Blick durchs Teleskop in die sternklare Nacht hier ohnehin der Vergangenheit an: Längst steht kein Fernrohr mehr in der Kuppel. Das letzte soll in den Umzugskisten gewesen sein, als das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium 1967 ein Gebäude weiter zog.

"Dann wollen wir`s mal versuchen", sagt Arnold Runkel, der Hausmeister der Realschule. Er drückt den Knopf. Einmal. Zweimal. Nichts tut sich. Runkel murmelt leise etwas von Vorführ-Effekt. Dann eben von Hand, mit der Kurbel. Es quietscht, gibt einen Ruck - es bewegt sich etwas. Ein kleiner Streifen graues Himmelslicht fällt hinein. Dann funktioniert auch der Motor wieder: Mit einem letzten Ruck öffnet sich die Kuppel und gibt den Blick auf viele Wolken frei.

Da liegt auch schon das Problem für die Sternengucker: "Der Standort ist schlecht", sagt Rektor Schäfer: Zu oft bewölkt und zu weit unten im Tal gelegen, bestätigten ihm die Fachleute. Was wohl Dr. Alfred Dinkelacker dazu gesagt hätte? Der frühere Lehrer der Schule war begeisterter Hobby-Astronom und hatte 1928 eine Sternwarte für die Schule beantragt.

Von der Einweihung des Erweiterungsbaus der heutigen Realschule samt Kuppel Ende 1929 bis zum Jahr 1932 benutzte man aus Geldmangel allerdings kein eigenes Gerät, sondern ein vom Verein "Volkswohl Betzdorf" gestiftetes Universalfernrohr. Ob danach je ein eigenes Teleskop für die Kuppel angeschafft wurde, ist unklar.

Die Machthaber von 1933 entließen den regimekritischen Dr. Dinkelacker aus dem Schuldienst. Die Sternwarte jedoch wurde bis zum Kriegsbeginn weiter genutzt, ergaben Nachforschungen des im vergangenen Jahr gestorbenen früheren Realschulrektors und Kirchener Heimatforschers Benno Solbach. Während des Krieges erlitt sie einigen Schaden. Kurt Külzer, ehemaliger Schüler und Lehrer des Gymnasiums, erinnert sich: "Wir durften den Raum damals gar nicht betreten. Es war einfach zu gefährlich."

In den Wirren des Krieges - die Schule wurde umfunktioniert zum Lazarett - könnte dann auch das Teleskop verloren gegangen sein: Welches auch immer bis dahin hier stand. Die Reste eines später am Betzdorfer Freiherr-vom-Stein-Gymnasium gefundenen kleinen Fernrohrs könnten auch von dem allerersten "Volkswohl"-Teleskop stammen. Ein weiteres Teleskop kam ins Spiel, als Apotheker Werner Alberts in den 60er Jahren dem Gymnasium sein eigenes schenkte.

Aber: "An unserer Schule gibt es heute kein Teleskop", da ist sich Hansgeorg Rack, Direktor des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums, sicher. Das Rätsel ums Teleskop bleibt ungelöst.

"Als die Realschule vor acht Jahren generalsaniert worden ist, hat man auch die Sternwarte renoviert", sagt Arnold Runkel, während er die Kuppel wieder schließt: Der Streifen Himmel wird immer kleiner, bis er ganz verschwunden ist. Die Sterne werden warten müssen, bis sie wieder von der renovierten Betzdorfer Sternwarte aus bewundert werden. Wenn überhauptž